Alles, was Sie über die Risikobeurteilung wissen müssen!

Das Thema Risikobeurteilung ist für Maschinenhersteller- und betreiber unumgänglich. Sie ist fester Bestandteil des Konformitätsbewertungsverfahrens und somit gesetzlich vorgeschrieben. So wichtig die Risikobeurteilug ist, so umfangreich ist sie auch. Wir haben Ihnen deshalb die wichtigsten Fragen rund um die Risikobeurteilung beantwortet!

1. Was ist eine Risikobeurteilung?

KonformitaetsbewertungsverfahrenÜber das Verfahren der Risikobeurteilungen werden Schutzmaßnahmen für Anlagen und Maschinen ermittelt, um Unfälle zu verhindern.

Denn Maschinen und Anlagen können Gefahrenquellen darstellen. Will ein Hersteller eine solche in der EU in Verkehr bringen, muss sie sicher sein. Per Definition ist das dann der Fall, wenn die Maschine die ihr zugedachten Funktionen in der entsprechenden Lebensphase ausführen kann und alle vorhandenen Risiken hinreichend gemindert wurde.

Um all diese Schritte umfassend abdecken zu können, wird die Risikobeurteilung durchgeführt: Sie umfasst das gesamte Verfahren der Risikominderung und beinhaltet die Risikoanalyse, die Risikoeinschätzung und die Risikobewertung.

Die Risikobeurteilung ist dabei ein iteratives Verfahren, ein sich wiederholender Prozess und kein einmalig abgeschlossener Vorgang. Sie beginnt bereits bei der Planung und Konstruktion einer Maschine oder Anlage und umfasst alle Lebensphasen des Objekts. Dazu zählt der Normalbetrieb genauso wie die Instandhaltung, Wartung, Reinigung und weitere.

Die Risikobeurteilung ist ein Teil des Konformitätsbewertungsverfahrens und ist gesetzlich vorgeschrieben. Die Gesetzgebung der EU wird in Richtlinien (Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Druckgeräterichtlinie 97/23/EG uvm.) formuliert und von allen Mitgliedsstaaten der EU in nationales Recht, wie dem Deutschen Produktsicherheitsgesetz, übernommen.

2. Was ist der Unterschied zwischen einer Risikobeurteilung und einer Gefährdungsbeurteilung ?

Risikobeurteilung und Gefährdungsbeurteilung betreffen dieselbe Maschine, werden aber zu unterschiedlichen Zeiten und von unterschiedlichen Stellen durchgeführt: zum einen vom Hersteller während Konstruktion und Bau, zum anderen vom Betreiber vor der Inbetriebnahme.

Die Risikobeurteilung führt der Hersteller durch

Die Risikobeurteilung ist Aufgabe des Herstellers. Sie sollte systematisch bereits in die Planung, Entwicklung und Konstruktion der Maschine integriert werden und den Konstruktionsvorgang begleiten – nicht als einmalige Prüfung, sondern als fortlaufender Prozess. Die Risikobeurteilung berücksichtigt alle Lebensphasen der Maschine und umfasst dabei sämtliche Gefahren in allen Lebenphasen des Produkts: Vom Transport über seine Montage, die Instandhaltung bis hin zum Abbau und der Entsorgung.

Die Gefährdungsbeurteilung führt der Betreiber durch

Dieser Risikobeurteilung aus Herstellersicht schließt sich die Gefährdungsbeurteilung der Maschine aus Betreibersicht an – und zwar vor der Inbetriebnahme der Maschine. Während der Hersteller bei seiner Gefahrenanalyse nur die Risiken im Auge haben muss, die von seiner Maschine ausgehen, betrachtet der Betreiber das große Ganze und damit alle Gefährdungen, die im Arbeitsbereich, im Umfeld und bei Tätigkeiten an der Maschine auftreten können.

Die Gefährdungsbeurteilung ist also ein wichtiges Mittel für den Arbeitsschutz. Auch hier werden systematisch sämtliche Gefährdungen oder Gesundheitsrisiken identifiziert und bewertet, denen Beschäftigte im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit und mit ihren üblichen Arbeitsmitteln ausgesetzt sein können.  Auf dieser Basis werden dann jene Maßnahmen definiert, die den Schutz der Beschäftigten gewährleisten sollen. Deren Wirksamkeit wird wiederum überprüft. So sollen Risiken frühzeitig erkannt und ihnen vorgebeugt werden.

Die Gefährdungsbeurteilung zielt auf die Arbeitssicherheit ab – sie betrifft Arbeitsstätten wie Arbeitsplätze und -abläufe sowie Arbeits- und Fertigungsverfahren. Sie wird unter anderem im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), der Arbeitsstättenverordnung, der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) oder der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) festgeschrieben.

Risikobeurteilung wie Gefährdungsbeurteilung sollten sorgfältig dokumentiert werden. Gerade in juristischen Streitfällen können sie einen rechtskonformen Nachweis darstellen, dass Unternehmen oder Hersteller allen gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen an Betrieb beziehungsweise Konstruktion der Maschine nachgekommen sind.

Unser Tipp:

Sie möchten mehr über das Thema Gefährdungsbeurteilung lesen? Dann empfehlen wir Ihnen unser kostenloses Whitepaper “Gefährdungsbeurteilung im Zeitalter der Industrie 4.0”!

Die technische Dokumentation

3. Wer muss eine Risikobeurteilung vorweisen bzw. erstellen?

Eine Risikobeurteilung stellt keine freiwillige Leistung eines herstellenden Unternehmens dar – sie ist gesetzlich vorgeschrieben. Eine Maschine, die im Wirtschaftsraum der EU in Betrieb genommen werden soll, muss beispielsweise gemäß der Druckgeräterichtlinie bzw. der Maschinenrichtlinie eine Risikobeurteilung des Herstellers besitzen.

Viele Unternehmen sehen die Risikobeurteilung als notwendiges Übel an. Sie vergessen, dass eine korrekt durchgeführte Risikobeurteilung nicht unerhebliche Vorteile für sie bringt: Denn sie ermöglicht zum einen dem Anwender des Produktes einen sicheren Umgang und senkt damit das Unfallrisiko. Sie reduziert zum anderen das Haftungsrisiko des Herstellers auf ein Minimum, da die Gefahr eines Schadens mit einem Produkt durch eine korrekt durchgeführte Risikobeurteilung bestenfalls vollständig eliminiert werden kann.

Mit der Risikobeurteilung kann der Hersteller sein Produkt zudem kontinuierlich verbessern, was Marktakzeptanz und Kundenbindung steigert. Viele Unternehmen fordern heute beim Kauf die technischen Daten der Risikobeurteilung einer Maschine oder Anlage zur Einsicht. Der Hersteller kann in diesem Fall mit gutem Service punkten, wenn er Informationen direkt übermitteln kann.

4. Warum führt man eine Risikobeurteilung durch?

Die Risikobeurteilung hat das Ziel, sichere Maschinen und sichere Anlagen zu konstruieren und betreiben zu können. Dabei sollen Unfälle und Gesundheitsgefahren sowohl bei der sogenannten bestimmungsgemäßen Verwendung als auch bei vorhersehbarer Fehlanwendung der Objekte vermieden werden.

Durch die Risikobeurteilung können Gefährdungen und Risiken, die von einer Maschine ausgehen, identifiziert werden. Auf dieser Basis können sichere Einsatzbedingungen festgelegt und sämtliche Schutz- und Sicherheitsanforderungen an die Maschine ermittelt werden. Denn diese muss als sicher gelten und darf dem Kunden nur mit dem entsprechenden Reifegrad übergeben werden. Das bedeutet, dass alle Risiken soweit gemindert wurden, dass nur noch ein vertretbares Restrisiko übrig bleibt. Das Grenzrisiko bestimmt die Schwelle und damit die tolerierte Höhe der Restrisiken. Vor diesen verbleibenden Restrisiken, auch solche, die nicht konstruktiv bedingt sind, werden die Benutzer und Bediener über die Betriebsanleitung gewarnt.

In der Regel weiß der Maschinenbauer oder Konstrukteur um Risiken und Gefahren, die von einer Maschine oder deren Teilen ausgehen können. Er wird versuchen, sie bereits bei Planung und Entwurf zu minimieren oder zu vermeiden. Deswegen ist es wichtig, dass die Risikobeurteilung bereits in der Konstruktionsphase ansetzt – die Umsetzung der Maßnahmen ist leichter und weniger kostenintensiv als eine spätere Nachbesserung oder Aufrüstung durch den Betreiber.

Durch den systematischen Prozess der Risikobeurteilung in seiner iterativen Ausführung verbessert sich die Vollständigkeit bei der Erkennung der Gefahren. Durch die Wiederholungsschleifen werden die Risiken im Prozess stetig gemindert.

5. Wer führt eine Risikobeurteilung durch?

Risikobeurteilung angemessen durchführen

Der Hersteller ist gemäß der Maschinenrichtlinie bzw. der Maschinenverordnung verpflichtet, eine Risikobeurteilung als Nachweis für die Maschinensicherheit durchzuführen. Sie ist Teil der technischen Dokumentation. Der Hersteller muss sie dem Käufer aber nicht aushändigen – stattdessen ist die Risikobeurteilung im Schadensfall den Aufsichtsbehörden zeitnah innerhalb von zwei oder drei Tagen vorzulegen. Es ist aber durchaus gängige Praxis, im Kaufvertrag zu vereinbaren, dass die Risikobeurteilung einer Maschine mitgeliefert wird. Dies kann einen Streitpunkt darstellen, da sich viele Hersteller vor der Herausgabe scheuen.

Verantwortlich für die Risikobeurteilung ist die Geschäftsleitung: Sie muss ausreichend Ressourcen und Personal bereitstellen, um die Risikobeurteilung angemessen durchführen zu können. Wer das im Unternehmen dann erledigt, hängt von den unterschiedlichen Strukturen der Organisation ab. Oft sind Konstrukteure und Maschinenbauer direkt in den Prozess der Risikobeurteilung involviert. Oder der CE-Beauftragte holt sich von ihnen die notwendigen Informationen. Auch technische Redakteure können die Ausgestaltung, Verschriftlichung und Dokumentation der Risikobeurteilung übernehmen.

6. Was beinhaltet eine Risikobeurteilung?

In der Grundnorm DIN EN ISO 12100:2010 (Sicherheit von Maschinen) werden folgende Schritte der Risikobeurteilung festgelegt:

  • Die Festlegung der Grenzen der Maschine
  • Die Identifikation von Gefährdungen, Gefährdungssituationen und -ereignissen
  • Das Einschätzen der Risiken

Diese drei ersten Schritte stellen die sogenannte Risikoanalyse dar. Dem folgt:

  • Die Bewertung der Risiken. Hier wird festgestellt, ob die Maschine sicher ist oder ob das sogenannte erlaubte Grenzrisiko noch überschritten wird.
  • Ist das der Fall, schließt sich die Risikominimierung an. Sie erfolgt in einem 3-Stufen-Verfahren durch diese Teilschritte: inhärent sichere Konstruktion, technische oder ergänzende Schutzmaßnahmen und/oder Bedienerinformationen und Benutzerhinweise.
Der Ablauf einer Risikobeurteilung

7. Welche Richtlinien und Normen müssen beachtet werden?

Für die Erstellung der Risikobeurteilung werden sowohl Gesetze und Richtlinien als auch Normen herangezogen. Für den Maschinenbau in Europa ist beispielsweise die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG eine sehr bedeutende Richtlinie, da Sie ein einheitliches Schutzniveau für Maschinen regelt.

Jede Richtlinie hat eine lange Liste von sogenannten harmonisierten Normen, die von der EU ständig aktualisiert wird. Diese dort aufgeführten Normen haben Komformitätsvermutungs-Charakter. Das bedeutet: Wenn die Normen einer Richtlinie umgesetzt werden, kann man davon ausgehen, dass damit die Konformität der Maschine gemäß der Richtlinie erreicht wird. Die Normen harmonisieren also mit den rechtlichen Grundlagen.

Auch wenn die Anwendung der Normen nicht verpflichtend ist, ist es für den Hersteller wegen der sogenannten Beweislastumkehr sehr sinnvoll, sich an sie zu halten. Denn im Falle eines Unfalls wird untersucht, ob Normen bei der Risikobeurteilung berücksichtigt wurden. Der Hersteller ist dann in der Pflicht, nachzuweisen, dass sein Weg abseits der Normen die gleichen Ziele erreicht hat. Hat er dagegen bei der Risikobeurteilung die Normen umgesetzt, liegt die Beweislast beim Staatsanwalt und er muss dem Unternehmen Fehler nachweisen.

Gängige Normen, die für die Risikobeurteilung herangezogen werden können, sind abhängig von Maschine und Anlage. Ein Beispiel ist die EN ISO 13850, die spezielle Sicherheitseinrichtungen wie Nothaltgeräte regelt. Sicherheitsabstände zu Gefahrenstellen für obere und untere Gliedmaßen und damit notwendige Schutzmaßnahmen finden sich in der EN ISO 13857. Die Güte einer Sicherheitsfunktion, das Performance Level einer Maschine, definiert die EN ISO 13849.

Innerhalb der Normen werden drei Typen unterschieden:

A-Normen (Sicherheitsgrundnorm) enthalten grundlegende Festlegungen und Regulierungen, die alle Maschinen betreffen. Ein Beispiel hierfür ist die EN ISO 12100:2010.

B-Normen (Sicherheitsfachgrundnormen) regeln Sicherheitsaspekte, die in gleicher Weise für mehrere Arten von Maschinen bedeutsam sind. Sie richten sich an Hersteller von Sicherheitskomponenten und Maschinen und stellen Möglichkeiten für Schutzmaßnahmen auf unterschiedlichen Niveaus dar.

C-Normen (Maschinensicherheitsnormen) regeln spezifische Gefährdungen, die von Maschinenarten und -gruppen ausgehen können. Konstrukteure finden in C-Normen ausführliche Auflistungen der Gefährdungen für ihre Maschinen und Produkte. Sie stellen deswegen ein wichtiges Hilfsmittel für die Risikobewertung dar.

Unser Tipp:

Recherchieren Sie zuerst die C-Normen. Wenn Sie direkt eine passende C-Norm finden, erleichtert dies Ihre Risikobeurteilung sehr! Wichtig ist hier auch, dass sich C-Normen zwar auf A- und B-Normen beziehen können, aber auch von ihnen abweichen können. Ist das der Fall, so hat die C-Norm Vorrang!

8. Was ist die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG?

Die europäische Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ist das zentrale Regelwerk für den Maschinenbauer in Europa. Sie erfordert die Risikobeurteilung für alle auf dem Europäischen Markt bereitgestellte Anlagen und Maschinen. Der Hersteller hat die geltenden minimalen Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Richtlinie zu erfüllen – die Ergebnisse müssen dann bei Bau und Konstruktion berücksichtigt werden.

Mit der neunten Verordnung (Maschinenverordnung) zum Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) wurde die Maschinenrichtlinie in nationales deutsches Recht umgesetzt. Sie verlangt ein sogenanntes Konformitätsbewertungsverfahren. Dieses beinhaltet die Identifizierung, Analyse und Bewertung von Risiken und Gefährdungspotenzialen – die Risikobeurteilung ist ein Teil davon. Ziel ist die Konstruktion einer sicheren Maschine und eines gesetzeskonformen Produkts. Die Dokumentation des Verfahrens stellt den Prozess dorthin dar und zeigt, welche Normen angewendet wurden.

9. Was ist die EN ISO 12100?

Die Grundnorm EN ISO 12100:2010 „Sicherheit von Maschinen ― Allgemeine Gestaltungsleitsätze ― Risikobewertung und Risikominderung“ ist die Mutternorm der Risikobeurteilung. Sie liefert die konkreten Vorgaben für ihre Durchführung. Zum einen legt sie die Begrifflichkeiten und ihre Verwendung fest und stellt detailliert die Leitsätze der Gestaltung einer Risikobeurteilung und ihre Vorgaben dar. Zum anderen beschreibt sie das Verfahren ausführlich. Damit legt sie die Basis, um Maschinen und Anlagen sicher zu konstruieren.

Die EN ISO 12100:2010 ist eine unter der Maschinenrichtlinie harmonisierte, europäische Norm vom Typ A, eine Sicherheitsgrundnorm. Die aktuelle Fassung aus dem Jahr 2010 vereint die zuvor geltenden Normen EN ISO 12100-1:2003, EN ISO 12100-2:2003 und EN ISO 14121-1:2007. Die Norm ist auch für Maschinen anwendbar, die international und außerhalb der EU verkauft werden sollen.

Neben den Bestandteilen der Risikoanalyse und -bewertung legt die EN ISO 12100 auch die drei Schritte für die dann folgende Risikominderung und ihre Reihenfolge fest:

  • inhärente technische Konstruktion
  • technische Schutzmaßnahmen
  • Benutzerinformation

Dieses 3-Stufen-Verfahren ist zwingend einzuhalten – es stellt eine beliebte Fehlerquelle bei der Risikobeurteilung dar. Zudem listet der Anhang B Gefährdungen gruppiert nach Gefährdungsarten und bezogen auf ihren möglichen Ursprung auf, was besonders für Konstrukteure nützlich ist.

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10. Welche Methoden und Risikobewertungsverfahren werden in der Risikobeurteilung verwendet?

Trotz aller Vorgaben: Die Maschinenrichtlinie und die ISO 12100 legen keine Methoden oder Verfahren fest, die in den einzelnen Schritten der Risikobeurteilung befolgt werden müssen.

Für den Teil der Risikoeinschätzung legt die ISO 12100 zwar verschiedene Faktoren fest, die berücksichtigt werden müssen – das Schadensausmaß und die Wahrscheinlichkeit seines Eintritts. Aber auch für seine Ermittlung wird keine Methode festgeschrieben. Das gilt auch für die anschließende Bewertung der Risiken. Auch hier ist nur bestimmt worden, dass die Anforderungen der ISO 12100 berücksichtigt werden müssen.

Trotzdem gibt es gängige Methoden, die häufig im Rahmen der Risikobeurteilung Anwendung finden. Ein verbreitetes Verfahren zur Bestimmung von Risiken ist das HRN-Verfahren (Hazard Rating Number). Es quantifiziert die Risikohöhe mit einem Faktor zwischen 0 und 13500. Je höher die Zahl, desto höher das Risiko. Die ausgewiesenen Bereiche zeigen dann, ob ein Risiko hinreichend minimiert wurde oder ob noch weitere Maßnahmen notwendig sind.

Unser Tipp:

In unserem Blogbeitrag “Risiken bewerten – so wird’s gemacht!” erfahren Sie, wie das Hazard Rating Numbers in der Praxis angewendet wird.

11. Risikobeurteilung und Funktionale Sicherheit

Funktionale Sicherheit beschäftigt sich mit der Güte einer Schutzfunktion. Sie betrifft jene Sicherheitsbauteile oder Komponenten an Maschinen, die eine sogenannte sicherheitsgerichtete Funktion hervorrufen. Beim Nothalt zum Beispiel – ein roter Knopf auf gelbem Grund – wird die Maschine durch das Drücken des Knopfes stillgesetzt. Oder Schalter an Schutztüren angebracht, die die Maschine stillsetzen, sobald sich die Tür öffnet. Die Gefahr bringende Bewegung der Maschine muss dabei sicherheitsgerichtet abgeschaltet werden.

Relevant für die Betrachtung der funktionalen Sicherheit sind alle Teile, die auf die Funktion einer Maschine sicherheitsgerichtet Einfluss nehmen. Dazu zählen auch Trittschutzmatten, Anschlagleisten oder Lichtgitter. Diese Schutzmaßnahmen können auch aus verschiedenen, miteinander verknüpften Bauteilen bestehen.

Unser Tipp:

Lesen Sie mehr zum 3-Stufen-Verfahren im Beitrag “Gefahr erkannt – Gefahr gebannt” auf dem CE-CON Blog!

Die Sicherheitsgruppennorm EN ISO 13849-1 „Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen – Teil 1: Allgemeine Gestaltungsleitsätze“ regelt die funktionale Sicherheit. Deswegen ist sie relevant für die Gestaltung und Integration sicherheitsbezogener Teile von Steuerungen aller Maschinenarten. Ihre Energiequelle, ihr Abtrieb oder die Technologie spielen dabei keine Rolle. Auch Software wird berücksichtigt. Die Norm beinhaltet Empfehlungen, um Risiken für diese sicherheitsbezogenen Steuerungen und Schutzeinrichtungen zu minimieren. Ihr erster Teil beschäftigt sich mit allgemeinen Gestaltungsleitsätzen, Teil 2 beschreibt ihre Validierung.

Die funktionale Sicherheit ist ein wesentlicher Aspekt für den zweiten Teil des 3-Stufen-Verfahrens, den technischen Schutzmaßnahmen, zur Risikominderungen von Maschinen und Anlagen.

12. Was bedeutet “Performance Level”?

Im Rahmen der Funktionalen Sicherheit beschreibt das Performance Level die Güte einer Schutzfunktion. Es ist maßgeblich für ihre Ausführung – also welche Maßnahmen angesichts eines gewissen Risikos getroffen werden müssen.  Je größer das Risiko, das von einer Maschine ausgeht, desto technisch aufwendiger und fehlersicherer muss die Schutzfunktion sein. Das PLr (required), das benötigte PL, geht aus der Risikobeurteilung hervor. Die drei relevanten Faktoren sind dabei die Schwere der Verletzung, die Häufigkeit und/oder die Dauer der Gefährdungsexposition und die Möglichkeit zur Vermeidung der Gefährdung.

Die EN ISO 13849-1 lässt verschiedene Wege zu, um den geforderten PL-Wert zu erreichen und überlässt die Wahl der Maßnahmen dem Hersteller. Auf die Ausführung der Schutzfunktion nehmen zahlreiche Faktoren Einfluss – dabei geht es darum, wie sie designt und konstruktiv umgesetzt ist.

Ist das Performance Level ermittelt und in der Schutzfunktion umgesetzt, muss diese validiert werden. Dieser Vorgang wird im zweiten Teil der EN ISO 13849 detailliert beschrieben. Die Validierung erfolgt durch Mathematik: Ist die Schutzfunktion bestimmt, lässt sich nämlich rechnerisch zeigen, dass das PLr erreicht wurde.

Weitere Informationen:

Mit der Industrie 4.0 haben auch neue Technologien Einzug in den Arbeitsalltag gefunden. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Arbeitssicherheit und insbesondere auch auf das Performance Level (PL), welches angibt, wie zuverlässig eine Sicherheitsfunktion ist. Was es dabei alles zu beachten gilt, erfahren Sie hier.

Vom Entwurf einer Schaltung für eine Sicherheitsfunktion bis zu deren Validierung ist ein langer Weg, der mit zahlreichen Stolpersteinen gepflastert sein kann.

Um Funktionale Sicherheit praxisnah und verständlich zu vermitteln haben wir einen Praxisworkshop zum Thema “Funktionale Sicherheit – PL Validierung mit SISTEMA” in unserem Schulungsangebot!

13. Was hat die Risikobeurteilung mit der CE-Kennzeichnung zu tun?

Die CE-Kennzeichnung ist eine verbindliche Aussage des Herstellers eines Produkts oder einer Maschine. Er erklärt damit, dass sein Produkt den geltenden rechtlichen Anforderungen der EU entspricht. Die Risikobeurteilung mit Risikoanalyse und -bewertung stellt einen Teil des Verfahrens zur sogenannten Konformitätsbewertung dar.

Die Konformitätsbewertung mündet in der EG-Konformitätserklärung, der Basis für die Anbringung des CE-Kennzeichens. Ist die Maschine sicher und die Risikobeurteilung erfolgreich abgeschlossen, wird die Konformitätserklärung ausgestellt. Sie beinhaltet unter anderem, welche Richtlinien und Normen berücksichtigt wurden und wird vom Hersteller unterzeichnet. Er bestätigt damit, dass sein Produkt den grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen aller relevanten europäischen Richtlinien entspricht.

Die CE-Kennzeichnung wird physikalisch an der Maschine angebracht – so ist erkennbar, dass sie gesetzeskonform ist.

Unser Tipp:

Sie wollen mehr über das CE-Kennzeichen und das damit verbundene Konformitätsbewertungsverfahren wissen? Dann empfehlen wir Ihnen unser kostenloses Whitepaper “In 8 Schritten zum CE-Kennzeichen”!

14. Was bedeutet der Umbau von Maschinen für die Risikobeurteilung?

Grundsätzlich ist es sinnvoll, für alle Umbauten an einer Maschine einzuschätzen, wie sich die Risikosituation darstellt: Erhöhen sich Risiken oder ergeben sich neue? Die Risikobeurteilung ist nicht immer gesetzlich vorgeschrieben – sie greift nur dann, wenn es sich beim Umbau um eine wesentliche Änderung handelt.

Ist das der Fall, wird die Anlage wie eine komplett neue Maschine betrachtet und muss entsprechend das gesamte Konformitätsverfahren neu durchlaufen. Liegen keine wesentlichen Änderungen vor, kann der Umbau nach dem Stand der Technik durchgeführt werden – und dazu ist wiederum die Risikobeurteilung sinnvoll. Auch neu miteinander verbundene Maschinen, die als neue Gesamtheit von Maschinen gewertet werden, gelten als Umbau. Hier stellt sich ebenfalls die Frage, ob eine wesentliche Änderung vorliegt oder nicht.

Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, die Risikobeurteilung vertraglich in den Lieferumfang mit aufzunehmen. Dies hat für diese Unternehmen den Vorteil, dass sie z.B. bei der Herstellung von Gesamtheiten von Maschinen oder bei späteren Änderungen auf dieser Dokumentation aufbauen können.

15. Wie und mit welcher Software kann eine Risikobeurteilung umgesetzt werden?

Unternehmen können selbst entscheiden, wie sie die Risikobeurteilung festhalten und dokumentieren. Nach wie vor werden Textverarbeitungs- oder Tabellenkalkulationsprogramme gern verwendet. Allerdings sind dabei Aufwand und Fehlerwahrscheinlichkeit recht hoch. Außerdem fehlen Plausibilitätskontrollen, Vorlagen stehen nur eingeschränkt oder gar nicht zur Verfügung und die Eingaben sind teilweise hochgradig redundant und ermüdend.

Eine Software ist deswegen eine praktische Unterstützung. Sie spart Zeit und bringt Rechtssicherheit. Je komplexer die Risikobeurteilung ist, desto wertvoller ist ein Softwaretool, das den Prozess begleitet und mit Vorlagen unterstützt. So kann sichergestellt werden, dass keine Prozessschritte vergessen werden, alle geltenden Normen beachtet und immer die aktuelle Version herangezogen wird.

Unternehmen sollten eine Software auswählen, die zu den eigenen Strukturen passt. Die Tools unterscheiden sich stark, zum Beispiel im Umfang oder den angewandten Bewertungsverfahren. Wichtig ist aber, dass mit der Software das gesamte Konformitätsverfahren mit seinem Kernstück, der Risikobewertung, abgebildet werden kann und nicht nur Teile davon. Es beginnt mit der Normen- und Richtlinienrecherche, geht über die Identifizierung von Gefährdungen über das 3-Stufenverfahren bis zur Verifikation des finalen Produkts. Dazu kommen die Hinweise in der Anleitung, Piktogramme an der Maschine, bis am Ende die unterschriftsfertige Konformitätserklärung wartet und das Produkt in Betrieb genommen wird.

16. Mit welchen Kosten und Ressourcen ist eine Risikobeurteilung verbunden?

Die Dokumentationsanforderung an Hersteller wird immer höher. Zwischen 5 und 10 Prozent des Budgets für eine Maschine werden für die Dokumentation veranschlagt. Dazu gehören neben der technischen Dokumentation, Wartungs- und Benutzerhandbüchern auch die Risikobetrachtung und die Performance Level Validierung.

Die Kosten und Ressourcen für eine Risikobeurteilung lassen sich aber nicht ohne Weiteres beziffern, da sie sich abhängig von Maschine und Anlage unterscheiden. Auch die Unternehmensstrukturen spielen eine Rolle – also die Frage, wo die Risikobeurteilung angesiedelt ist. Die Zuständigkeit kann beim beim HSE-(Health Safety Environment)-Sicherheitsbeauftragten, dem Konstrukteur oder dem CE-Beauftragten liegen. Da sie konstruktionsbegleitend erfolgt, mindert sie tatsächlich die Ressourcen während des Baus einer Anlage oder Maschine.

Wie CE-CON Sie bei der Risikobeurteilung unterstützen kann

Wir hoffen, dass Sie einen ausführlichen Eindruck von dem Prozess der Risikobeurteilung erhalten haben. Wenn Sie Unterstützung bei der Durchführung einer Risikobeurteilung benötigen, dann kontaktieren Sie uns gerne!

Sie möchten die Risikobeurteilung selbst durchführen? In unserer Academy bieten wir die Schulung zum “Functional Safety Engineer” an. Wesentlicher Bestandteil dieser Schulung ist die praxisnahe Durchführung einer Risikobeurteilung.

Die Durchführung einer Risikobeurteilung ist umfangreich und bedarf einem strukturierten Vorgehen. Unsere Software CE-CON Safety unterstützt Sie dabei und hilft Ihnen die Risikobeurteilung einfach und rechtssicher durchzuführen.